Offen gesagt: Hier über Microsoft Copilot zu berichten, immer wieder neue Funktionen auszuprobieren und den KI-Assistenten in meinen Alltag als Wissensarbeiter und Dozent zu integrieren – das alles hat mir in den vergangenen Monaten eigentlich viel Freude gemacht.
In meinen Fortbildungen, in selbst produzierten Videokursen und in zig Blog-Beiträgen erkläre ich immer wieder gerne die vielen Möglichkeiten und denke mir mit viel Einsatz ständig neue Beispiele für die sinnvolle Anwendung von Copilot in Schule und Job aus.
Die Chancen und Grenzen der Technologie zu vermitteln, ist natürlich ebenfalls meine Aufgabe als unabhängiger Autor und Medientrainer. Klar, die Ergebnisse der KI sind nicht perfekt, aber meist mindestens als Inspiration und als Vorlage für eigene Entwürfe gut brauchbar. Aus meiner Sicht hat Copilot jedenfalls nach wie vor das Potenzial, uns bei vielen Aufgaben in der digitalisierten Arbeitswelt zu unterstützen.
Umso ärgerlicher finde ich es, dass Microsoft selbst mal wieder konsquent daran arbeitet, unnötig Verwirrung zu stiften und interessierte Einsteiger abzuschrecken! Zurzeit kann sich nämlich wohl niemand darauf verlassen, dass Copilot morgen noch so aussieht und funktioniert wie gestern noch.
Zusätzlich zu den ständigen Änderungen kommt die gewohnt unzureichende Kommunikation, die übermorgen ebenfalls gerne über den Haufen wirft, was vorgestern noch groß angekündigt und vollmundig versprochen wurde.
Die gleichen Probleme – jetzt mit KI!
Kommt Dir das alles auch so bekannt vor? Langjährige Freunde der Notiz-Software OneNote haben sich schon vor Jahren ein dickes Fell zugelegt. Über das Hin und Her mit den verschiedenen Programmversionen habe ich in den vergangenen Jahren ja oft berichtet. Ein paar meiner grauen Haare habe ich sicher dem Product Team von OneNote zu verdanken.
Ähnlich verwirrend wirkt auch die Entwicklung der Software-Sammlung Microsoft 365: Da erscheinen und verschwinden irgendwelche Apps, deren Zwecke sich zudem oft überschneiden. Dazu kommen wahllos implementierte Verbindungen zwischen den verschiedenen Diensten, die selbst digital-affine Tech-Freaks wie mich überfordern. Da hilft auch kein kleines Pop-up auf dem Bildschirm, das in zwei Sätzen salopp über Neuigkeiten in Microsoft 365 und deren Konsequenzen informiert.
Microsoft 365: Ich bin überfordert! [Kommentar]
Die obigen Probleme wiederholen sich jetzt eben mit Blick auf Copilot. Der KI-Assistent wurde erst 2023 veröffentlicht und hat bislang schon mehr Strategiewechsel hinter sich als die FDP bei ihrer „offenen Feldschlacht“.
Ein paar Beispiele gefällig? Davon gibt’s mittlerweile mehr als genug:
Copilot mit vielen Gesichtern: Wer blickt da noch durch?
Die einen nutzen Copilot kostenlos mit einem persönlichen Microsoft-Konto, die anderen bekommen ein Benutzerkonto von ihrer Firma oder Schule gestellt. Beide Gruppen sehen seit kurzem eine komplett unterschiedliche Benutzeroberfläche: Andere Farben, andere Grafiken andere Schriftart, andere Fuktionen!
Angeblich hat Microsoft das Design für Privatanwender umgestrickt, um die Bedienung zu vereinfachen. Das Ergebnis ist ein anderes: Copilot ist nicht mehr wiederzuerkennen! Die Bonbon-bunten Farben sind dabei noch das kleinere Übel: Nutzer*innen ärgern sich vor allem darüber, dass plötzlich grundlegende Funktionen wie die Spracheingabe fehlen oder unnötig versteckt wurden wie der Chatverlauf.
Update für Copilot: Krasser Rückschritt für persönl...
Außerdem spuckt der Chatbot zu seinen Antworten seltener Quellenangaben und passende Bilder aus. Auch der Zugriff auf das praktische Notizbuch und tolle Drittanbieter-Tools wie die Song-KI Suno ist verschwunden.
Dass Microsoft schon seit Jahren mehr Fokus auf Geschäftskunden legt, ist offensichtlich. Dass aber für Privatanwender ohne Not eine so unterschiedliche Parallelwelt entstanden ist, lässt sich kaum sinnvoll vermitteln. Neue Copilot-Kunden lockt man so nach meiner Erfahrung jedenfalls nicht an. Man verliert sie stattdessen an das viel mächtigere KI-Flaggschiff ChatGPT, das eigentlich auf denselben Technologien basiert.
Aber auch die Unterschiede zu und zwischen geschäftlichen und schulischen Konten nerven jeden, der mit mehreren Benutzerkonten hantieren muss. Hier kann man nur Bilder zum Prompt hochladen, dort ist nur der Upload von Dokumenten möglich. Für Firmen gibt es einen Chatverlauf, bei Schulen fehlt er erst monatelang – angeblich aus Datenschutzgründen – und taucht dann doch plötzlich in der Web-App von Copilot auf.
Copilot mit Chatverlauf – jetzt auch in Microsoft 3...
Bleibt alles anders: Namen, Domains und Apps für Copilot
Auch darüber hinaus mussten treue Anwender schon zahlreiche Änderungen über sich ergehen lassen, die mal mehr, mal weniger nachvollziehbar waren.
- Los ging’s bereits mit der Umbenennung: Erst hat Microsoft den intelligenten Chatbot unter dem Namen Bing Chat vermarktet, also als Teil seiner bedingt erfolgreichen Suchmaschine. Als wir das alle verstanden und verinnerlicht hatten, wurde stattdessen die Marke Copilot eingeführt.
- Mittlerweile gibt es zig Lizenz-Varianten – von Copilot Pro bis hin zu Microsoft 365 Copilot. Man soll aber auch von Copilot in Word und von Copilot in Windows sprechen, während der Chatbot in Microsoft 365 in der PR-Kommunikation auch Biz Chat genannt wird. Kannst Du noch folgen?
- Ursprünglich konnte man einfach https://copilot.microsoft.com aufrufen und sich dort mit seinem Benutzerkonto anmelden. Diese Adresse gilt jetzt aber nur noch für Privatanwender. Geschäftskunden werden zu https://copilot.cloud.microsoft weitergeleitet, können aber auch im Online-Portal von Microsoft 365 zu https://www.microsoft365.com/chat wechseln. Zusätzlich hat Microsoft jüngst angekündigt, in Zukunft auf die Domain https://www.m365copilot.com setzen zu wollen. Spätestens jetzt solltest Du ein Gefühl dafür bekommen haben, warum ich in diesem Beitrag von Chaos spreche …
- Ursprünglich sollte Copilot in Windows integriert werden. Daraus ist nach einer Vorschauversion – die nicht in der EU funktioniert hat – eine separate Windows-App für Copilot geworden, die aber eigentlich nur die Web-Version von Copilot anzeigt – und das auch nur für Privatanwender. Dass Microsoft diese sogenannte PWA (Progressive Web App) in Kürze schon wieder durch eine andere Art von App ersetzen möchte, überrascht mich schon nicht mehr …
Microsoft Copilot für Windows: KI-Assistent als App...
- … und dann gibt es ja noch die Apps für mobile Geräte wie Smartphone und Tablet. Auch hier würfelt Microsoft gerne alles durcheinander. Das ist der Status Quo: Die eigentliche App mit dem Namen Copilot funktioniert jetzt nur noch mit persönlichen Benutzerkonten. Business- und Schulkonten finden den KI-Assistenten nun prominent in der App Microsoft 365 (Office). Diese App wiederum – obwohl ihr Fokus bislang auf den bekannten Office-Anwendungen Word, Excel und PowerPoint lag – wird demnächst in Microsoft 365 Copilot umbenannt.
Noch mehr Chaos um Copilot!
Ich könnte die Liste an Irrungen und Wirrungen rund um Copilot noch eine Weile so fortsetzen. Bei allem Verständnis für Experimente und Innovationsgeist: Was Microsoft hier teilweise an Strategiewechseln forciert, ist unverständlich und wirkt auf mich nur noch planlos. Leidtragende sind neugierige Anwender*innen, für die neue Technologien wie jetzt eben Künstliche Intelligenz sowieso schon eine Herausforderung sind.
- Ich könnte hier noch erwähnen, wie oft sich die optische Darstellung an den verschiedenen Orten geändert hat – vom Logo für Copilot in Microsoft Edge über die Symbole im Menüband der Office-Programme bis hin zu den lieblosen Ansichten in den jeweiligen Seitenleisten.
- Ich könnte auch noch erklären, dass es sich bei den frisch eingeführten Copilot Pages zum Speichern und Bearbeiten von KI-Antworten eigentlich um Seiten auf Basis der Kollaborations-App Loop handelt – so wie die neuen Copilot Agents nur ein neuer Name für individuell angepasste Chatbots sind, die eigentlich mit Copilot Studio im Hintergrund arbeiten.
- Ich spare mir hier die Riesen-Diskussion um das umstrittene KI-Feature Recall für Windows. Es reicht schon, wenn ich auf die bislang mäßig verbreiteten Copilot+ PCs verweise, auf denen bestimmte KI-Funktionen exklusiv laufen. Die eigens eingeführt Copilot-Taste auf der Taste wiederum soll in Zukunft aber gar nicht den KI-Assistenten Copilot öffnen …
- … und hast Du schon mal versucht, innerhalb Deines Benutzerkontos von Microsoft 365 eine zusätzliche Lizenz für Copilot zu bestellen? Mir berichten interessierte Lehrkräfte, dass sie irgendwann schlicht aufgegeben haben – obwohl sie sogar bereit waren, die Kosten dafür aus eigener Tasche, also privat zu tragen.
Turbulenzen im Cockpit: Copilot läuft aus dem Ruder!
Kurzum: Wer sich Copilot ins Cockpit holt, muss ständig mit Turbulenzen rechnen! Die Entwickler ändern alle paar Wochen ihren Kurs und lassen keine verlässliche Route erkennen. Auch beim Marketing ist die Steuerung offenbar längst aus dem Ruder gelaufen. Bei diesem Chaos wundert es mich kaum, wenn selbst treue Nutzer lieber den Abflug machen und sich stattdessen bei den Mitbewerbern im KI-Sektor ausprobieren.
Ich würde mir natürlich wünschen, dass Microsoft bald zu einer verständlichen Gesamtstrategie für Copilot findet, die Entwicklung, Design, Kommunikation und Preisgestaltung umfasst. Ein Produkt, dessen Bedingungen und Möglichkeiten am Ende niemand mehr versteht, kann meiner Meinung nach nur scheitern.
Mein Wunsch ist sicher nicht ganz uneigennützig: Allein in den vergangenen Monaten musste ich so oft meine Anleitungen für Copilot umschreiben und mein Schulungsmaterial für KI-Fortbildungen anpassen, dass ich doch gerne mal wieder Zeit für andere Themen hätte. Davon profitiert dann auch Ihr als Leser*innen dieses Blogs.
PS: Immerhin ist man bei Microsoft konsequent und setzt die Verwirrung bei der neuen Grafik-App Designer direkt fort: Erst haben wir den Bing Image Creator zum Generieren von KI-Bildern kennengelernt. Jetzt lässt sich Designer auch im Copilot-Chat aufrufen – egal mit welchem Benutzerkonto.
Die eigenständige Web-App für Designer wiederum steht bislang nur Personen mit kostenlosen Privatkonten zur Verfügung, nicht mit kostenpflichtiger Schul- oder Business-Lizenz. Wie gut, dass es für denselben Zweck den Co-Creator in Paint gibt, der dort jedoch mittlerweile schon wieder Image Creator heißt – aber diese Geschichte ist sicher mal einen eigenen Blog-Artikel wert … 😉
Warum dieser unproduktive Beitrag?
Dieses unnötige Nörgeln an der Oberfläche nützt doch niemandem! Warum nicht mal eingehen auf die Datenschutzproblematik, also dass Copilot zur Verarbeitung angehängte Dokumente im geschützten OneDrive-Bereich ablegt, ohne dass Microsoft anderweitg darauf zugreifen kann. Im Gegensatz dazu, kann OpenAI in CHatGPT verwendete Dokumente frei nutzen, auch zum Trainig! Will ich das als Nutzer? Eindeutig nein!
KI entwickelt sich, Copilot wird an unheimlich vielen Stellen integriert. Diese Möglichkeit konnte man vorher noch nicht sehen und planen. Und ja: ich bin dankbar dafür, dass sich hier etwas tut. Denn ich nutze für meine Arbeit viele unterschiedliche Funktionen und nicht nur eine Website, die jetzt plötzlich anders aussieht.
Ich würde mir für die Zukunft mehr Tiefe in den Beiträgen wünschen, denn die von Ihnen fortgebildeten Lehrer brauchen KI-Funktionen nicht nur an der Oberfläche.
Trotzdem: Vielen Dank für die vielen Beiträge und das Engagement für Schule und Bildung – weiter so und viel Erfolg für 2025.
Lieber Herr Ukat, ganz herzlichen Dank für Ihre Meinung zu meinem Kommentar!
Ich finde: Man kann das eine tun, ohne das andere zu lassen. Man kann sowohl die Vorteile von Copilot benennen – so wie ich es in vielen anderen Beiträgen hier bereits tue – als auch über ärgerliche Entwicklungen und unnötige Irritationen berichten. Mit dieser Wahrnehmung bin ich offenbar nicht allein, wenn man mal in anderen Experten-Blogs und Foren stöbert, z. B.
https://www.drwindows.de/news/copilot-verwirrung-komplett-microsoft-365-app-wird-in-microsoft-365-copilot-umbenant
https://www.borncity.com/blog/2024/12/18/microsoft-365-app-heissen-ab-2025-einfach-microsoft-365-copilot/
Mit Blick auf wenig technikaffine Nutzer und den Bildungsbereich – und auf diesen lege ich hier ja den Fokus – wiegen solche ständigen Änderungen und Strategiewechsel nach meiner Erfahrung eben schwerer. Das wird wohl jede Lehrkraft bestätigen können, die Fortbildungen für ihr Kollegium oder Schulungsmaterial für ihre Schüler*innen vorbereitet. Auch deshalb würde ich mir mehr Verlässlichkeit und weniger Hakenschläge bei der Entwicklung von Copilot wünschen.
Toi toi toi für 2025, danke für die Treue und alles Gute!