Kaum eine Technologie ist so schnell im Bildungssystem angekommen wie Künstliche Intelligenz – so zumindest der allgemeine Eindruck.
Seit knapp zwei Jahren erobern KI-Assistenten wie ChatGPT und Microsoft Copilot die Arbeitswelt und erreichen vielerorts eben auch Schule und Unterricht. Das haben das Internet, Cloud-Speicherorte und Smartphones jedenfalls nicht in diesem Tempo geschafft.
Offenbar sind sich also alle Beteiligten einig, dass KI den Schulalltag nachhaltig umkrempeln wird, oder?
Stattdessen scheint die anfängliche Euphorie aber schon wieder nachzulassen. In den Sozialen Netzwerken – auch in meiner Lehrer-Community – häufen sich die Rückmeldungen, dass sich die KI-Tools nicht so recht in der Schule etablieren wollen.
Entsprechende Umfragen auf meinen Social-Media-Plattformen sind sicher nicht repräsentativ, bestätigen diesen Eindruck aber.
Woher kommt diese KI-Müdigkeit? Was bremst den Einsatz von ChatGPT, Copilot & Co. in der Schule gerade aus? Die folgenden acht Gründe begegnen mir im persönlichen Austausch mit Lehrkräften immer wieder.
Fallen Dir weitere mögliche Gründe ein, warum KI im Schulalltag nicht ankommen mag? Dann freue ich mich wie immer auf Deinen Kommentar unter diesem Blog-Artikel.
1. Viele (andere) Herausforderungen im Schulalltag
Ich verstehe alle Kolleg*innen, die gerade gar nicht den Kopf frei haben, um sich überhaupt mal mit Künstlicher Intelligenz zu beschäftigen.
Stattdessen belastet der Lehrkräftemangel das Schulsystem. Klassen werden zwangsweise größer, heterogener und damit betreuungsaufwändiger. Zusätzlich zu den pädagogischen Herausforderungen bestimmen immer mehr administrative Aufgaben den Lehreralltag.
Natürlich können KI-Tools dabei helfen, einige dieser Aufgaben zu erleichtern. Lehrkräfte haben aber oft gar nicht die Zeit und Muße, die Möglichkeiten der neuen Technologien für sich zu entdecken und sich entsprechend einzuarbeiten.
2. Unklarer Mehrwert von KI in der Schule
In Diskussionen höre ich immer häufiger, dass Lehrkräfte keinen tatsächlichen Mehrwert von KI für den Schulalltag erkennen. Sie sind bislang nicht davon überzeugt, dass die Anwendungen ihre Arbeit nachhaltig erleichtern. Ein häufiger Kommentar:
„Das kann ich selbst immer noch besser und schneller als die KI.“
Oft fehlt es auch an Inspiration und konkreten Beispielen für den Einsatz in Schule und Unterricht. Es gibt bislang mehr theoretische Abhandlungen und allgemeine Handreichungen als konkrete Tipps und praktische Anleitungen.
Zudem wird oft alles in einen Topf geworfen: Wer den wachsenden Einfluss digitaler Tools auf Schüler*innen ablehnt, zweifelt gerne auch pauschal an der Sinnhaftigkeit der Technologien und kann die Vorteile für die Schulorganisation nicht mehr vorurteilsfrei erkennen.
KI in der Schule, aber warum eigentlich? – 5 Ziele ...
3. Enttäuschung durch falsche Erwartungen
Im Marketing-Material sieht alles immer so einfach aus. Doch der Budenzauber der IT-Firmen weckt oft falsche Erwartungen.
Auch angebliche Bildungs-Experten spingen auf den Zug auf und versprechen im Internet unrealistische Lösungen auf Knopfdruck. Sie fluten Instagram, TikTok & Co. mit halbgaren KI-Tipps und lieblosen Prompt-Sammlungen für den Schulalltag.
Beim Ausprobieren stellen Lehrkräfte dann meist fest, dass die Tools ihre Anforderungen und Erwartungen gar nicht sofort erfüllen. Sie sind enttäuscht, weil die KI-generierten Unterrichtsentwürfe und Elternbriefe nicht auf Anhieb so perfekt sind wie versprochen.
Leider hat ihnen niemand erklärt, wie man mit etwas Mühe bessere Prompts schreibt, verfügbare Einstellungen anpasst und so die Chance auf brauchbare Ergebnisse erhöht.
4. Überforderung durch Überangebot an KI-Tools
Die meisten Lehrkräfte wissen schon, dass es neben dem Platzhirsch ChatGPT noch weitere KI-Anwendungen gibt. Doch mittlerweile ist das Angebot riesig und unüberschaubar. Im Internet stößt man schnell auf Listen mit 1000 und mehr KI-Tools. Wer soll da noch den Überblick behalten?
Dazu kommen zig Newsletter, die wöchentlich neue Tipps für Apps ins Postfach spülen. Selbst experimentierfreudige Lehrer*innen sind längst übersättigt und kapitulieren. Das Überangebot erschwert die Auswahl des richtigen Werkzeugs für die Bedürfnisse im Unterricht und damit die Akzeptanz in der Schule.
5. Hohe Kosten für professionelle Anwendungen
Professionelle KI-Tools kosten meist Geld, das viele Schulträger nicht ausgeben können oder wollen. Vielerorts ist die Finanzierung einer technischen Grundausstattung schon nicht gesichert. Lizenzen für zusätzliche Software übersteigen dann erst recht das verfügbare Budget.
Gleichzeitig lassen sich die Unternehmen ihre Entwicklungen im KI-Bereich teuer bezahlen. Ihre Anwendungen sind oft nur als Abonnement erhältlich und werden pro Nutzer*in abgerechnet.
Das können sich zwar größere Firmen und Organisationen leisten. Für Bildungseinrichtungen gibt es aber selten bezahlbare Angebote.
Microsoft Copilot für Schulen und Lehrer – teilweis...
6. Sorge vor falschen Ergebnissen und unklaren Quellen
Kann man Künstlicher Intelligenz (ver-)trauen? Immer wieder fallen ChatGPT & Co. mit falschen Aussagen auf. Manche Antworten scheinen die Technologien frei zu erfinden. Manche KI-Tools verraten auch nicht, auf welchen Quellen ihre zusammengestellten Ergebnisse überhaupt basieren.
Das ist natürlich gerade im Bildungsbereich problematisch. Fehlerhafte Informationen und die unklare Herkunft der Daten schüren das Misstrauen in die Anwendungen. Lehrkräfte befürchten, die mangelnde Medienkompetenz ihrer Schüler*innen damit eher zu verschärfen statt zu stärken.
7. Unklare Rechtslage und offene Fragen zum Datenschutz
Die Nutzung der neuen Technologien wirft rechtliche Fragen auf, die noch nicht ausreichend geklärt sind.
- Welches geistige Eigentum steckt hinter den KI-Tools? Darf man die generierten Inhalte überhaupt für Schule und Unterricht nutzen?
- Wer hat Zugriff auf meine eingegebenen Daten? Lernt die KI von meinen Eingaben und spuckt meine persönlichen Informationen im schlimmsten Fall bei anderen Anwender*innen aus?
Die meisten KI-Anwendungen stammen aus dem nicht-europäischen Ausland. Ob sie sich an hierzulande geltendes Recht wie die DSGVO halten, ist ungewiss. Microsoft wirbt bei EDU-Konten jedenfalls mit einem „zertifizierten Datenschutz“. Doch aus Sorge vor rechtlichen Problemen trauen sich viele Lehrkräfte trotzdem nicht, die Apps und Programme für Schule und Unterricht zu nutzen.
8. Fehlende praxisnahe Fortbildungen
Mit den obigen Herausforderungen werden Lehrer*innen oft allein gelassen. Dabei ließen sich die meisten Fragen in geeigneten Schulungen klären. Ich bin jedenfalls der Überzeugung, dass es mehr braucht als allgemeine Handreichungen aus den Schulministerien und theoretische Impulsvorträge von verkopften Wissenschaftlern.
Roboter als Lehrer: Leitfaden für KI in Schulen sch...
Doch viele Schulen vernachlässigen das Thema Künstliche Intelligenz beim Planen ihrer Fortbildungen. Im Zweifel referiert jemand mal intern über seine persönlichen Erfahrungen mit KI, statt einen erfahrenen Trainer mit entsprechendem Know-how zu buchen.
In meinen Fortbildungen zu Microsoft Copilot lege ich zum Beispiel viel Wert auf praktische Übungen und Medienkompetenz. Mein Ziel: Ich möchte Barrieren in den Köpfen abbauen und Lehrkräften lieber Lust darauf machen, die neuen Möglichkeiten für sich zu entdecken und in ihren persönlichen Alltag zu integrieren. Das steigert im besten Fall auch nachhaltig die Akzeptanz von KI-Tools in Schule und Unterricht.
Ich bin nicht gegen Moderne, ich bin nur für pädagogisch wertvoll.
Fragen für mich:
Warum soll KI so durchgepeitscht werden?
Ist KI wirklich KI?
„Viele „KI-Tools“ sind nur digitale Tools.
Auf logische Gedankengänge der LKs kann man sich verlassen, auf KI nicht.
KI ist evtl für Organisation von Vorteil, für Fachliches nicht.
KI gibt der „Fehlerkultur“ Vorschub, die ich aus pädagogischen Gründen ablehne: Warum erst Fehler machen, wenn man auch fehlerfrei arbeiten kann?
Die Frage pro KI erübrigt sich damit für mich.