Microsoft 365: In Behörden legal, in vielen Schulen verboten

1,28 Milliarden Euro zahlt der Bund für Microsoft-Lizenzen. Das meldet die Redaktion von ZDFheute in dieser Woche. Die genannten Ausgaben sichern bis 2025, dass Ministerien, Behörden und die Bundeswehr u. a. mit den bekannten Office-Programmen arbeiten können.

Die Höhe der Summe kann man nun wahlweise angemessen finden oder kritisieren. Fakt ist: Staatliche Einrichtungen setzen seit Jahren durchgängig auf Software und Dienste von Microsoft – ganz legal.

Auch diese Meldung macht gerade die Runde: Die Bundesagentur für Arbeit führt Microsoft Teams ein. Ab Januar 2024 setzt die größte Behörde in Deutschland auf die Cloud-Software des US-Unternehmens. Stolz schreibt der Mitverantwortliche Stefan Latuski im Business-Netzwerk LinkedIn über seinen Erfolg und die erforderlichen Schritte:

„Gerade einmal 21 Wochen nach Bekanntgabe des Angemessenheitsbeschluss zwischen den USA und der EU ist es uns im IT-Systemhaus der Bundesagentur für Arbeit gelungen, alle dafür erforderlichen Schritte zu durchlaufen:

Technisches Einführungskonzept, Datenschutzfolgeabschätzung, Verhandlungen mit den Vertragspartnern, Barrierefreiheitsprüfung, Dienstvereinbarung bis hin zur Freigabe durch den Personalrat – und das alles in rund 4 Monaten ⏭️ absolute Rekordzeit 👍🏻👍🏻“

"Die Bundesagentur für Arbeit führt Microsoft Teams ein"
„Die Bundesagentur für Arbeit führt Microsoft Teams ein“

In kurzer Zeit hat die Bundesagentur für Arbeit nun also gemeinsam mit Datenschutzbeauftragten und der IT-Security die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die interne Nutzung von Microsoft-Software in der Cloud möglich ist – ganz legal.

Und dann war da noch das Foto einer Videokonferenz, das kürzlich ebenfalls bei LinkedIn geteilt wurde. Zu sehen ist Claudia Plattner, Präsidentin des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Auch das Sicherheitsnetzwerk München nimmt an dieser Online-Besprechung teil.

Videokonferenz zur Cybersicherheit per Microsoft Teams
Videokonferenz zur Cybersicherheit per Microsoft Teams

Laut Begleittext bei LinkedIn diskutiert die Runde über wichtige Themen wie Cybersicherheit, Technikkompetenz und die Digitalisierung in Deutschland – und verwendet dafür augenscheinlich Microsoft Teams. Na klar, ganz legal.

Pauschale Verbote in der Parallelwelt Schule

Was für diese Behörden und viele weitere Einrichtungen selbstverständlich ist, ist in zahlreichen Schulen in Deutschland untersagt – je nach Bundesland. Viele Lehrkräfte würden auch gerne die Software von Microsoft einsetzen, dürfen es aber aus Prinzip nicht. Es gebe Bedenken beim Datenschutz, so die Begründung der Verantwortlichen. Deshalb wird der Einsatz von Microsoft 365 in Schulen oft pauschal verboten, und zwar völlig unabhängig von der konkreten Nutzung.

Im Netzwerk Mastodon berichtet eine Lehrkraft von einem plötzlichen Verbot. Etliche Kolleg*innen an dieser Schule müssen jetzt offenbar zügig ihre bestehenden Sammlungen – „Tonnen an Unterrichtsmaterial und Notizen“ – in irgendwelche anderen Programme übertragen. Dabei enthält der Großteil der Inhalte in OneNote wohl gar keine personenbezogenen Daten.

Bericht einer Lehrkraft bei Mastodon
Bericht einer Lehrkraft bei Mastodon

Teilweise werden Schulen in Deutschland sogar rechtliche Konsequenzen angedroht, falls sie weiter mit Microsoft-Software arbeiten würden. Kommt es zum Konflikt, dann fühlen sich Schulleiter*innen vor Ort von ihrem Schulträger und dem Kultusministerium oft allein gelassen, wie ich regelmäßig in Zuschriften mitbekomme. Carsten Niehaus aus Niedersachsen schreibt bei Mastodon öffentlich dazu:

„Um es klar zu sagen: Alle in der Schulleitung würden super gerne Office 365 haben. Aber ein Rechtsstreit reicht mir für mein Leben. […]

Ich möchte ergänzen, dass es unerträglich ist, dass die Länder völlig willkürlich MS Office zulassen oder auch nicht. Reine Rechtsauslegung nach Belieben. Entweder dürfen wir (= alle Schulen in Deutschland) oder eben nicht. […]

Dass die Behörde, die das nicht genehmigen möchte, mit jeder Selbstverständlichkeit Teams benutzt, steht natürlich außer Frage. Selbstverständlich tun die das.“

Auch bei meinen Fortbildungen zu Microsoft-Software an Schulen erlebe ich rund ums Thema Datenschutz mehr Verunsicherung als Aufklärung. Lehrer*innen erzählen mir im Vertrauen, dass sie mittlerweile Angst hätten, irgendwelche Tafelbilder in der Cloud oder Arbeitsblätter auf einem privaten PC zu speichern. Das hätten die Datenschützer grundsätzlich verboten – und damit erfolgreich Unsinn verbreitet.


Deutschlandweiter Flickenteppich ohne Verlässlichkeit

Ich habe hier im Blog ja schon mehrfach über die unangemessenen Drohgebärden einiger Datenschutzbeauftragten berichtet. Sie machen aus ihrer grundsätzlichen Abneigung gegen kommerzielle Software oft keinen Hehl, machen teilweise sogar Stimmung gegen die Anbieter.

In ihrer Kommunikation gegenüber Schulen setzen sie darauf, Angst vor möglichen rechtlichen Folgen zu verbreiten. Was bleibt ihnen anderes übrig: Schließlich gibt es weder ein generelles Verbot von Microsoft-Software noch irgendeine entsprechende Gerichtsentscheidung.

Keine Sorge: Auch mit der Firma Microsoft gehe ich immer wieder hart ins Gericht – vor allem wegen intransparenter Entscheidungen und schlechter Kommunikation. Es hat viele Jahre gedauert, bis das Unternehmen die Beanstandungen ernstgenommen und technisch nachgebessert hat.

Nach eigener Aussage habe man mittlerweile vor allem die umstrittene Weitergabe von Nutzungsdaten in die USA weitestgehend eingeschränkt. Bislang konnte Microsoft aber weder die Datenschützer überzeugen noch verlorenes Vertrauen zurückgewinnen – trotz zahlreicher Maßnahmen.

Leidtragende dieser Situation sind alle Schulen und Bildungseinrichtungen, die gerne rechtssicher mit Microsoft 365 Education arbeiten möchten. Seit Monaten hat sich nichts am deutschlandweiten Flickenteppich geändert.

Aktuell wägt jedes Kultusministerium bzw. Schulministerium im Land auf eigene Faust ab, ob die beliebte Software für den Einsatz im Unterricht geduldet wird oder nicht. Manchmal entscheiden sogar benachbarte Schulträger unterschiedlich darüber – bei ein und demselben Gesetz als Grundlage. Ganz ehrlich: Dieser Datenschutz-Dadaismus ist längst nicht mehr vermittelbar!

Verlässliche Auskünfte und damit Planungssicherheit für einen längeren Zeitraum bekommen Schulen ebenfalls selten. Auch bei meiner letzten landesweiten Anfrage im vergangenen Jahr haben sich die meisten Bildungsministerien der Länder vor verbindlichen Antworten gedrückt.

Reaktionen von Lehrkräften in Deutschland

Als rechtlich belangte Schulleitung würde ich mir jetzt jedenfalls vollends veräppelt vorkommen, wenn neben Unternehmen auch große Ministerien, Behörden wie die Arbeitsagentur sowie die Bundeswehr auf die professionelle Software setzen dürfen – ganz legal.

Entsprechend fallen auch die aktuellen Reaktionen von Lehrkräften und Verantwortlichen im Bildungsbereich auf die obigen Meldungen und die andauernde Ungleichbehandlung aus:

„Also, nur zum Verständnis: Es ist völlig okay, relevante Daten der Landesverteidigung mit MS Office zu verwalten. Schul- und Schülerdaten dagegen sind Top Level Staatsgeheimnisse und dürfen deshalb nicht mit MS Produkten bearbeitet werden. Ja … doch … ergibt total Sinn … 🤪“

„Aber für Schulen wird da ein Riegel vorgeschoben. Wie lächerlich machen die sich eigentlich? Reine Ideologie 🤡“

„Aus der Absurditäts-Kiste … eigentlich nicht zu glauben …“

„‚All animals are equal, but some animals are more equal than others.‘ – Aus Animal Farm by George Orwell“

„1. April? Ach nee, zu viel Schnee zur Zeit. Schon bemerkenswert. ‚Technisches Einführungskonzept, Datenschutzfolgeabschätzung, Verhandlungen mit den Vertragspartnern, Barrierefreiheitsprüfung, Dienstvereinbarung bis hin zur Freigabe durch den Personalrat‘ – 4 Monate? Für Schulen unmöglich.“

„Schulen bekommen sowas auch in 4 Jahren nicht hin. IMHO wäre genau das der Job unserer:s Dienstherr:in im Zaubereiministerium, oder?“

„Ich habe gerade die zweite Überprüfung durch den Landesdatenschutzbeauftragten hinter mir und muss feststellen, dass Datenschutz – wie Brandschutz – zu einem Selbstzweck geworden ist, dessen irrationale Überhöhung eine sinnvolle und realistisch machbare Digitalisierung von Schule und Unterricht unmöglich macht. Ich bin ratlos angesichts dieser Prioritätensetzung.“

„Das Risiko bei einem Autounfall ums Leben zu kommen, ist größer, als dass Daten der Cloud-Lösung […] ausspioniert werden. Natürlich besteht das Risiko. Aber eine Risiko/Nutzen-Bewertung muss nicht nur Wahrscheinlichkeiten, sondern auch immer die Höhe des Schadens einbeziehen. Im vorliegenden Fall muss man sich grundsätzlich fragen, ob wir Digitalisierung wollen oder nicht. Entweder macht man sie richtig, oder lässt sie sein.“

„Wow. Gute Zusammenstellung. Danke! […] Es ist schon beachtlich, wenn dieselbe Datenschutzbehörde Schulen verbietet eine Software zu benutzen und einer anderen Behörde nicht. Gleiches Recht für alle. Wenn man wirklich Probleme mit dem Cloud Act hat – kann man ja rechtlich so sehen -, dann dürfen halt aber alle deutschen Behörden die Cloud Variante von M365 nicht mehr benutzen.“

„Ich möchte jetzt in die Auslegeware beißen. Oder denselben Stoff rauchen, den die betreffenden Entscheidungsträger hatten. Wollen die mich eigentlich absichtlich ankotzen?“

„🙈“


Alternative Software? Für viele keine Alternative!

Um es vorsorglich nochmal klarzustellen: Ich vertrete nicht die Meinung, dass Microsoft-Software alternativlos ist – auch wenn ich hier im Blog vorrangig über Windows, PowerPoint & Co. schreibe und dazu auch Fortbildungen gebe.

Natürlich gibt es gute Gründe für freie Software. Natürlich gibt es andere Office-Programme, mit denen man ebenfalls Dokumente, Tabellen und Präsentationen erstellen kann. Auch die Lernplattformen der Länder scheinen zuverlässiger zu laufen als noch vor einigen Jahren. Sie enthalten mittlerweile zumindest die wichtigsten Werkzeuge für digitalen Unterricht.

Fakt ist aber auch: Wenn sie sich frei entscheiden dürften, würden viele Schulen eben nicht auf Logineo-NRW, das Hessische Schulportal oder die BayernCloud Schule mit mebis setzen. Die Angebote der Länder empfinden viele Kollegien immer noch als Notlösung aus der Corona-Zeit, die ihre tatsächlichen Bedürfnisse heute mehr schlecht als recht abdeckt und im Schulalltag selten störungsfrei funktioniert.

Die Wahrheit ist doch: Unsere wichtigsten Behörden wollen lieber mit Microsoft 365 als mit LibreOffice, BigBlueButton & Co. arbeiten – aber für den vielseitigen Schulalltag sollen die kostenlosen Tools ausreichen? Da verstehe ich jede Lehrkraft, die sich schlechter ausgestattet und damit im Job weniger wertgeschätzt fühlt.

Ich kenne mittlerweile aber auch zahlreiche Schulen in Deutschland, die sich bewusst für Microsoft 365 Education als professionelle Lösung entscheiden – trotz aller Widerstände. Die Lehrkräfte vor Ort schwören auf das einzigartige Zusammenspiel von OneNote, Microsoft Teams und den weiteren Apps. Sie schätzen, wie leicht man Unterrichtsmaterial online verteilen, Aufgaben digital korrigieren und die Schulorganisation in vielen Teilen automatisieren kann.

Ihr Hauptargument ist, dass alle Beteiligten dank der Software-Sammlung unter einem Dach viel Arbeit und Zeit sparen. Wer Microsoft 365 im Einsatz hat, will es meist nicht mehr hergeben. Funktional gesehen gibt es aus meiner Sicht auch keine vergleichbare Alternative – und ich probiere wirklich viele Lösungen aus.

Bewusste Entscheidungen dank Medienkompetenz

Gegner kommerzieller Software argumentieren oft damit, dass die Daten minderjähriger Schüler besonders sensibel seien und man keine Abhängigkeit von Anbietern aus den USA vorantreiben sollte. Befürworter der Produkte entgegnen, dass man die Schüler doch aufs Berufsleben vorbereiten müsse. Dort sei Microsoft-Software eben Standard – nicht nur in deutschen Behörden, sondern auch in weltweit agierenden Unternehmen.

Als ausgebildeter Medientrainer plädiere ich ja immer für Medienkompetenz anstelle von pauschalen Verboten. Das thematisiere ich auch in jeder meiner Software-Schulungen. Ich halte es für sinnvoll, dass Lehrer*innen und Schüler*innen möglichst breit aufgestellt sind und sowohl kommerzielle als auch freie Software kennenlernen – mit ihren jeweiligen Vorteilen und Nachteilen. So können sie kompetent entscheiden, mit welchen Tools sie lieber arbeiten möchten, und sie sind trotzdem auf alle beruflichen Anforderungen vorbereitet.

Unter Medienkompetenz verstehe ich zudem einen bewussten Umgang mit digitalen Technologien und personenbezogenen Daten – unabhängig von Software-Herstellern und bestimmten Plattformen. So gehören Kreditkartendaten und persönliche Fotos aus meiner Sicht nie in eine Cloud. Das Speichern von typischem Unterrichtsmaterial und pädagogischen Inhalten wiederum halte ich mit Blick auf den Datenschutz für völlig unproblematisch. Darüber hinaus lassen sich Dokumente und Dateien ja auch verschlüsseln, falls gewünscht.

Es kommt also immer darauf an, wie man digitale Tools überhaupt nutzt. Diese Differenzierung vermisse ich in der Diskussion um Microsoft 365 bislang völlig.


Recht und Gesetz statt Häme und Hetze

Apropos Diskussion: Meinungsstark für seine Überzeugung zu kämpfen, finde ich grundsympathisch. Aber niemand muss sich persönlich anfeinden oder abwerten lassen, weil er eine bestimmte Software für Schule und Unterricht bevorzugt – schon gar nicht von moralinsauren Mammuts, die ihre Beleidigungen anonym durchs ach so offene Netzwerk tröööten.

Eine persönliche Abneigung gegen kommerzielle Software ist natürlich legitim, aber aus rechtlicher Sicht völlig irrelevant. Was legal ist und was nicht, das entscheiden bei uns nun mal Gesetze und Richter. Das entscheiden weder ich als popeliger Autor und Medientrainer noch irgendein ketzerischer Journalist mit zu viel Druck auf dem Füller noch irgendein selbstgerechter Gewerkschaftler, der Schulleitungen gezielt anschwärzt, noch irgendein angeblich unabhängiger Blogger mit Anti-Microsoft-Agenda, der gleichzeitig in Festanstellung bei einer Datenschutzbehörde arbeitet.

Ich bleibe zuversichtlich, dass die Verantwortlichen im Hintergrund an einer konstruktiven Lösung für interessierte Schulen arbeiten. Dabei können sicher auch die aktuellen Erfahrungen der Bundesministerien, der Bundesarbeitsagentur und der Bundeswehr helfen. Es ist offenbar machbar, Microsoft 365 rechtssicher zu betreiben – selbst wenn sensible Daten ins Spiel kommen.

Wenn so wichtige Behörden in Deutschland die Voraussetzungen dafür erfüllen können, dann sollte der datenschutzkonforme Einsatz an unseren Schulen doch wohl auch möglich sein, oder?

Du möchtest mir auch von Deinen Erfahrungen zum Thema berichten? Dann schreibe mir gerne eine E-Mail an stefan@malter365.de – auf Wunsch natürlich vertraulich bzw. anonym.

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