Schule in NRW: Tablets mit Microsoft 365 im Unterricht

Welche Voraussetzungen brauchen Schulen, um digitalen Unterricht für alle Schüler*innen und Lehrer*innen zu ermöglichen? Diese Frage hat auch das Städtische Gymnasium Straelen in Nordrhein-Westfalen beschäftigt.

Die Schule setzt seit diesem Schuljahr auf „Vollausstattung“: Ab Klasse 7 haben alle Schüler*innen Tablets zur Verfügung. Als Software kommt vorrangig Microsoft 365 Education zum Einsatz.

Mehrere Kolleg*innen des Gymnasiums haben ihr Konzept nun nochmal ausführlich beschrieben und dazu das Themenheft „Erfolgreich digital unterrichten“ veröffentlicht.

Mit Dr. Johannes Hellenbrand – einem der Autoren und selbst Lehrer am Gymnasium in Straelen – habe ich ein Interview geführt und über die bisherigen Herausforderungen und Erfahrungen mit dem selbst entwickelten Digital-Konzept gesprochen.

Dr. Johannes Hellenbrand, Städtisches Gymnasium Straelen

Warum hat sich die Schule für diese Kombination aus Hardware und Software entschieden? Welche Tools in Microsoft 365 kommen dabei vor allem zum Einsatz? Und wo hakt’s bei der Umsetzung im Schulalltag – nicht nur im digitalen Unterricht?

„Digitalisierung anpacken und groß denken“

Lieber Johannes, Euer neues Themenheft heißt „Erfolgreich digital unterrichten“. Dabei hat eine Europaweite Studie gerade erst gezeigt: Die Mehrheit der deutschen Lehrkräfte hält offenbar wenig von digitalen Tools im Unterricht. Außerdem fehlt vielerorts immer noch die technische Ausstattung. Wie weit geht Euer Heft an der Schulrealität vorbei?

Johannes Hellenbrand: Was heißt schon „Schulrealität“? Die Gegebenheiten sind ja in jedem Bundesland, in jeder Kommune und in jeder Schule anders. Unser Gymnasium war beim Thema Digitalisierung immer ein bisschen weiter als andere Schulen. Während andere die digitalen Geräte aus dem Unterricht verbannt haben, wollten wir digitales Arbeiten möglich machen.

Zunächst haben die Schüler*innen eigene Geräte mitgebracht. Die Vollausstattung war jetzt einfach der nächste logische Schritt – auch mit Blick auf Bildungsgerechtigkeit.

Ich glaube, Lehrkräfte halten mehr von digitalen Tools, wenn sie sie sinnstiftender einsetzen können. Nur Kreidetafeln durch Smartboards zu ersetzen, macht ja noch keinen besseren Unterricht. Ein gutes Digitalisierungskonzept muss neben der Technik eben immer auch pädagogisch und didaktisch gedacht sein.

Stefan Malter im Homeoffice

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Der Zeitpunkt ist jetzt perfekt, Digitalisierung anzupacken und groß zu denken: Es gibt Förderprogramme vom Staat, und in der breiten Öffentlichkeit bekommt das Thema endlich mehr Aufmerksamkeit. Auch die Schulträger haben verstanden, dass zeitgemäße Bildung zeitgemäße Werkzeuge benötigt.

Seit 2018 gibt das Schulministerium in NRW vor, dass alle Schüler*innen die im Medienkompetenzrahmen festgelegten Kompetenzen erwerben müssen. Das geht wiederum nur mit entsprechender Ausstattung.

„Vollausstattung“ heißt bei Euch: Alle Schüler*innen haben Tablets zur Verfügung. Wie habt Ihr das hinbekommen? Was macht Ihr anders als andere Schulen, die dafür nach eigener Aussage weder finanzielle Mittel noch personelle Ressourcen haben?

Johannes Hellenbrand: Die Stadt Straelen ist ein starker Partner, der unsere Vision teilt und für die digitale Förderung der Kinder viele Mittel bereitstellt. In der Hochphase der Pandemie hat der Schulträger Microsoft 365 angeschafft. Im Herbst letzten Jahres entstand dann die Idee, alle Schüler*innen mit Tablets auszustatten.

Schüler*innen mit Tablets
Schüler*innen mit Tablets

Dass die Eltern das finanzieren, kam für uns aber nicht in Frage – auch in Hinblick auf die Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. Deshalb wollten wir den Schulträger ins Boot holen und haben ein Konzept für unsere Schule geschrieben – mit Erfolg! Die Anschaffung der digitalen Endgeräte wurde im Haushalt eingeplant. Das Geld kam sowohl aus eigenen Mitteln als auch aus Förderprogrammen.

Kurze Zeit später hat übrigens auch die neue NRW-Landesregierung in ihre Koalitionsvereinbarung geschrieben, dass eine 1:1-Ausstattung mit Endgeräten in der Schule notwendig ist.


„Man ist nicht auf eine Software festgelegt“

Das Schulministerium in NRW stellt ja auch die digitale Lernplattform LOGINEO zur Verfügung. Andere Bundesländer setzen ebenfalls auf nicht-kommerzielle Eigenentwicklungen. Ihr dagegen habt Euch nun für Microsoft 365 Education als Basis entschieden. Warum?

Johannes Hellenbrand: Als wir die Vollausstattung geplant haben, war schnell klar: Bewährte Praktiken im Unterricht sollen nach wie vor funktionieren. Gleichzeitig muss es genügend Raum geben, Unterricht mithilfe digitaler Möglichkeiten weiterentwickeln zu können.

Für diesen Spagat reichen Moodle und LOGINEO allein nicht aus. Die Plattformen bieten zum Beispiel keine Lösung dafür, ein digitales Schulheft handschriftlich zu führen.

OneNote dagegen enthält diese Funktionen, und die Software hatten wir eh schon in unserem digitalen Werkzeugkasten. Microsoft Teams wiederum vernetzt viele Programme, die im Schulalltag zum Einsatz kommen können, zum Beispiel Word, Excel, PowerPoint und eben auch OneNote. Deshalb hat unser Kollegium schließlich entschieden, dass Microsoft Teams bei uns zur Haupt-Kommunikationsplattform wird.

Microsoft 365 Education: Handbuch von Stefan Malter

Microsoft 365 Education

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Das heißt übrigens nicht, dass wir Moodle und andere Tools nicht mehr nutzen. Das ist ja das Tolle an digitalen Werkzeugen: Man ist nicht auf eine Software festgelegt und kann die Auswahl je nach Einsatz sinnstiftend nutzen.

Beschreib‘ doch mal konkret: Welche Apps und Tools in Microsoft 365 kommen bei Euch im Unterricht zum Einsatz – und wie?

Johannes Hellenbrand: Microsoft Teams und OneNote bilden tatsächlich die Basis. Teams dient als Kommunikationsplattform und erste Anlaufstelle für die Schüler*innen. Über OneNote haben wir die digitalen Schulhefte organisiert.

Zu jedem Fach gibt es ein eigenes Team mit Kursnotizbuch. Darin werden digitale Arbeitsblätter verteilt und Unterrichtsinhalte mitgeschrieben.

Unterrichtsmaterial in Microsoft OneNote
Unterrichtsmaterial in Microsoft OneNote

Die Schüler*innen können aber auch darüber hinaus zusammenarbeiten, zum Beispiel bei einem gemeinsamen Referat mit PowerPoint oder einem Aufsatz in Word.

Im Matheunterricht habe ich früher schon Excel für Zufallsversuche eingesetzt. Jetzt können die Schüler*innen direkt gemeinsam an einer Tabelle arbeiten. Dank der übersichtlichen Struktur in Microsoft Teams und Sharepoint klappt die Verwaltung der Dateien leicht und intuitiv.

Aber auch außerhalb des Unterrichts wird Microsoft 365 genutzt. Unsere Schülervertretung hat zum Beispiel mithilfe von Teams und Microsoft Forms eine Online-Plattform umgesetzt, über die man T-Shirts und Trinkflaschen mit unserem Schullogo bestellen kann.

Pandemie als Katalysator für die Digitalisierung

Lehrer*innen beschweren sich oft, dass sie Dienstgeräte samt Software einfach in die Hand gedrückt bekommen und dann damit allein gelassen werden – ohne jegliche Einführung oder Fortbildung. Wie habt Ihr Microsoft 365 im Kollegium eingeführt? Wo hat’s vielleicht auch gehakt?

Johannes Hellenbrand: Bei den Dienstgeräten war unser Schulträger vorbildlich! Wir konnten bei der Anschaffung zwischen verschiedenen Laptops und Tablets wählen. Ein Mitarbeiter der Stadt sitzt bei uns in der Schule und bietet technischen Support an.

Stefan Malter mit Tablet

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Für Fortbildungen waren wir selbst zuständig. Zu Beginn der Pandemie entstand im Kollegium eine Arbeitsgruppe für digitale Schulentwicklung. Die hat sich sehr engagiert und eigeninitiativ mit den Möglichkeiten der Software auseinandergesetzt.

Es gab dann viele interne Fortbildungen und viel Austausch im Lehrerzimmer. So haben wir das Kollegium in den vergangenen drei Jahren geschult und fit gemacht.

Die Pandemie war natürlich ein Katalysator: Wir mussten Online-Unterricht anbieten, und jeder musste sich mit den digitalen Möglichkeiten auseinandersetzen. Es gab auch viel Frust, wenn die Technik nicht funktionierte oder noch das Wissen fehlte. Das war nicht immer einfach.

Aber mittlerweile arbeiten viele Kolleg*innen gerne damit – der eine mehr, der andere weniger. Genau so ist es bei uns gewollt: Ein Schulbetrieb sollte immer Vielfalt zulassen – auch beim Einsatz von Werkzeugen für die Unterrichtsgestaltung.

… und die Schüler*innen? Fällt ihnen der Umgang mit den digitalen Tools wirklich so leicht, wie viele glauben?

Johannes Hellenbrand: Viele glauben ja, dass die Schüler*innen mit Smartphones groß werden und deshalb das Digitale quasi im Blut haben. Dass das nicht stimmt, sieht man allein daran, wie oft sie ihre Passwörter für Schul-E-Mails oder Microsoft-Konten vergessen. Digitale Kompetenzen müssen sie eben genauso erlernen wie wir Erwachsene. Dabei helfen wir uns dann im Schulalltag gegenseitig.

Aber es ist schon erstaunlich, wie schnell die Schüler*innen lernen. Das Kopieren von digitalen Arbeitsblättern ins eigene Heft, das Erstellen von PowerPoint-Präsentationen … das alles geht ihnen leicht von der Hand. Sie sind experimentierfreudiger und schneller bereit, sich auf Neues einzulassen und hinzunehmen, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt.

Schüler*innen arbeiten gemeinsam - mit und ohne digitale Tools
Schüler*innen arbeiten gemeinsam – mit und ohne digitale Tools

Wir haben die neuen Geräte vor den Herbstferien verteilt und gleichzeitig mit Fortbildungen begonnen. Dabei helfen uns die Medienscouts NRW, das sind speziell geschulte Schüler*innen – also „Lernen mit Gleichaltrigen, von Gleichaltrigen“. In diesem Jahr ist das besonders viel Arbeit, weil wir mehrere Jahrgänge gleichzeitig schulen. Im kommenden Jahr geht’s dann nur noch um den neuen Jahrgang 7.

Wir haben aber auch neue Herausforderungen: Die Schüler*innen schreiben sich im Unterricht jetzt keine Zettelchen mehr, sondern Nachrichten per Teams-Chat. Sowas müssen wir als Lehrkräfte jetzt auch im Blick haben …

Ich muss es ansprechen: Die Datenschutzkonferenz vertritt aktuell die Auffassung, dass Microsoft 365 nicht in Schulen und Behörden eingesetzt werden sollte. Wie verfolgst Du die Diskussion um die rechtlichen Bedenken? Was macht Ihr, wenn die Software demnächst verboten werden sollte?

Johannes Hellenbrand: Wir verfolgen natürlich die Debatte um die rechtlichen Bedenken. Die einen fordern einen strikten Datenschutz, die anderen fordern eine moderne Medienkompetenzerziehung und – zumindest hier in NRW – eine Vollausstattung für alle Schüler*innen.

Um das in dieser Größenordnung verlässlich zu gewährleisten, braucht es aus meiner Sicht ein vollumfängliches Software-Paket wie Microsoft 365 Education.

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Laut Koalitionsvertrag sind Schulen ja frei in der Wahl des Lernmanagement-Systems. Sollte sich an der Rechtslage etwas ändern, werden wir uns nach einer anderen Plattform umsehen, die zu unserer Vision passt. Die vom Schulministerium NRW angebotene Lernplattform LOGINEO wird ja zudem gerade einem „Zukunftscheck“ unterzogen. Der Ausgang ist ungewiss.

Ich lese aber, dass sich Datenschützer und Unternehmen vielerorts miteinander austauschen. Mein Eindruck ist, dass alle eine Lösung suchen, damit die Anwendungen von Microsoft in Deutschland rechtskonform eingesetzt werden können. Das stimmt mich vorsichtig optimistisch, dass sich auch im Bildungswesen eine solche Lösung finden lässt.


„Niemand darf abgehängt werden“

In Eurem neuen Themenheft gebt Ihr viele Erfahrungen aus der Praxis an Eurem Gymnasium weiter. Was war auf Eurem Weg zur digitalen Schule bislang der größte Lerneffekt?

Johannes Hellenbrand: „Gut Ding will Weile haben!“ – Im Gegensatz zu Firmen haben wir keine IT-Abteilung, die in Vollzeit technischen Support leisten und Schulungen anbieten kann. Dementsprechend ist Zeit ein wichtiger Faktor. Das fängt bei der Geduld im Bestell- und Lieferprozess der digitalen Endgeräte an, geht über Termine für Fortbildungen bis hin zum Einsatz im Schulalltag, der oft nicht sofort auf allen Ebenen reibungslos funktioniert.

Auch die Umstellung im Kopf benötigt Zeit. Manchmal muss man erst mal sacken lassen, was man in einer Schulung gelernt hat. Man muss den eigenen Workflow reflektieren können und da anpassen, wo es sinnvoll ist und wo es mich als Lehrer entlastet.

Uns ist es auch wichtig, unser Konzept regelmäßig zu evaluieren und anzupassen: Was hat sich bewährt? Wo treten Schwierigkeiten auf? Wir stoßen immer wieder auf neue Herausforderungen – sowohl technischer als auch didaktisch-pädagogischer Natur. So eine Umstellung kann im Schulwesen nur mit Geduld und Zeit funktionieren. Gleichzeitig muss auch der „alte Workflow“ noch funktionieren: Niemand darf abgehängt werden!

Vielen Dank für die Einblicke und das Gespräch!

Die BASS von A bis Z

„Erfolgreich digital unterrichten“ – das Themenheft von Lehrer*innen am Städtischen Gymnasium Straelen – ist im Dezember 2022 erschienen und jetzt direkt beim Ritterbach-Verlag erhältlich.

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